Heute morgen habe ich beim Joggen mal wieder an den persönlichen Mailfächern der Studenten vorbeigesehen. Neben der Bestätigung über das sehr gut bestandene Neurobiologie-Examen nur die übliche Werbung. Vereinigungen, Informationshefte, Flyer... alle wollen sie meine Aufmerksamkeit oder zumindest mein Geld. Ich will die Schublade schon wieder zuschieben und raus in den Sonnenaufgang traben, als mein Blick noch an einem kleinen, weißen Zettel hängen bleibt. Weil er nur die Abmessungen einer Visitenkarte hat und in der hintersten Ecke lag, hätte ich ihn fast übersehen. Interessiert drehe ich ihn um und lese: "Proefpersonen gezocht voor nieuwaardige neuropsychologische studie" (Versuchspersonen für neuartige neuropsychologische Studie gesucht), dazu eine Adresse auf dem Campus.
10 Minuten später klopfe ich an der Tür des Profs. Zum Glück, ein Frühaufsteher.
Während ich kaum Gelegenheit habe, hinter dem mit Blättern und aufgeschlagenen Büchern übersäten Schreibtisch Platz zu nehmen, werde ich schon in die Sache eingeweiht. Es gehe um eine Studie im eng angelegten Rahmen für Studenten mit starkem Interesse der Informatik und der Neuropsychologie. Ein Auswahlverfahren unter den Bewerbern würde es geben, allerdings nach dem reinen Zufallsprinzip. Interessant daran sei, daß das Experiment "absolut zukunftsweisend" sei und noch nie unter Menschen getestet worden war. Die Versuche mit Menschenaffen seien allerdings erfolgreich verlaufen, fügt der grauhaarige Prof in seinem Vollbart dazu. Und leider könne ich nicht erfahren, um was es konkret ginge, bevor das Auswahlverfahren mich als Teilnehmer bestimmt hätte.
Ich bin erst einmal etwas skeptisch - vor Allem wegen der Tatsache, unter die ersten menschlichen Versuchskaninchen zu gehören. Der hochdotierte Mann scheint meine Skepsis zu bemerken und versucht sie mit Enthusiasmus auszugleichen. Er meint, daß im Gegensatz zu den üblichen psychologischen Studien kein verborgener Sinn dahinter stecke, und ich über alle Einzelheiten des Experiments im Voraus und in allen gewünschten Details aufgeklärt werden würde.
Letztendlich siegt die Neugier über die Vernunft, und schließlich fällt die Studie genau in mein Interessengebiet. Ich sage zu.
Ein Strahlen breitet sich auf dem unrasierten Gesicht des Prof's aus und er taucht unter die Papierflut auf seinem Schreibtisch. Ich erwarte beinahe, daß jeden Moment die Blätter in alle Richtungen fliegen, so energisch sucht der gute Mann nach einem bestimmten Dokument. Dann hält er inne, wirft noch einen letzten Blick darauf und überreicht es mir beinahe feierlich. Das wäre mein Informed Consent - das Papier, das ich ausfüllen sollte, falls ich als Teilnehmer zugelassen würde. Überrascht nehme ich es entgegen - es waren 3 Seiten, doppelseitig und kleingedruckt beschrieben. Das war umfangreicher als alle anderen Informed Consents zusammen, die ich bisher in der Hand gehalten hatte.
Immer noch verblüfft werde ich schon zur Tür hinauskomplimentiert, mit dem Versprechen, in etwa einem Monat eine entsprechende E-Mail zu bekommen.
Ich stecke die dünnen Seiten in meine Postschublade - die werde ich mir heute nachmittag ansehen - und laufe weiter über den schlafenden Campus.
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